Montag, 25. Juni 2012

Orakel - BLick in die Zukunft

Alles, was die Zukunft betrifft, ist ungewiss. Genau darum möchte man es berechenbarer und transparenter machen. Dieses Ansinnen hatten Menschen schon sehr früh in der Menschheitsgeschichte. Wann es das erste Orakel gab, wissen wir nicht - aber dass damit eine Instanz erschaffen wurde, die göttliche Voraussagen machen konnte, ist uns klar. Endlich war ein Zugang dazu geschaffen, Zwischenreiche oder transzendente Welten anzuzapfen, um im Voraus etwas über zukünftige Ereignisse zu erfahren.

Ein Orakel besaß die Gabe, in Trance zu fallen, die manchmal auch mit Sitzen über aromatischem Rauch unterstützt wurde. Es fungierte als Medium, das zwischen den Welten wandern konnte, um unsere Wissbegier zu befriedigen. Da es bestimmten Menschen vorbehalten war, die Welten zu durchwandern, mussten wir uns zu ihnen hin bewegen. Das tat man nur bei wirklich wichtigen Fragen. In Staatsangelegenheiten bewegte sich der 14. Dalai Lama von Tibet noch in der Neuzeit nach Nechung, um das dort ansässige Staatsorakel zu befragen. Es konnte in Trancezuständen Wahrsagen. Orakel machen aber keine klaren Aussagen. Helfershelfer übersetzten den vieldeutigen Spruch, der in unverständlichen Lauten ausgestoßen wurde, in eine uns verständlichere Sprache. Dann machten sich berufene Interpretatoren daran, den Orakelspruch auszulegen.

Heutzutage bedienen wir uns modernerer Möglichkeiten. Kartenlegen und Hellsehen bedienen sich zwar keiner höheren Instanzen, aber sie nützen uns, um Voraussagen über gewisse Ereignisse zu machen. Der Kartenleger oder Hellseher ist auch derjenige, der die ermittelten Aussagen interpretiert, oftmals mit Hilfe eines dafür entwickelten Computerprogramms. Da die Karten eine tiefe Bedeutung haben, nennen wir den Prozess Wahrsagen. Orakel haben heute einfach eine moderne Form angenommen, weil wir alles andere ablehnen würden. In Tibet verteidigt man das Staatsorakel von Nechung noch - aber ob es einmal einen Nachfolger haben wird, ist ungewiss. Die historische Institution hat sich möglicherweise überlebt, weil die Bedürfnisse der Tibeter sich ändern. In der westlichen Esoterik nutzen wir ebenfalls längst andere Orakel. Der Wunsch der Menschen, berufene Instanzen über den Ausgang bestimmter Dinge zu befragen, ist trotz aller Technologiegläubigkeit unverändert. Wir behelfen uns daher mit anderen Formen der Befragung oder nutzen das Hellsehen. Viele Technologien und Praktiken der Esoterik haben mittlerweile Eingang in unser Leben gefunden. Jeder kann leicht per Computer und Internetzugang Wahrsager finden und nutzen. Das Wahrsagen ist heute Alltagsgut, auch wenn ihm nicht jeder vertraut. Dennoch besitzen viele Menschen Tarotkarten oder amüsieren sich über die Voraussagen einer Krake namens Paul, die angeblich die Spielergebnisse der Deutschen Mannschaft in der Fußballweltmeisterschaft 2011 richtig voraussagen konnte. Wie viele Toto-Wettscheine wegen Pauls Vorhersagen ausgefüllt wurden, bleibt ein Geheimnis. Das Sea Life Centre in Oberhausen hatte prachtvolle Werbung und Krake Paul schaffte es bis auf die erste Seite der Tageszeitungen.
Horoskope, Kartenlegen und Hellsehen eröffnen uns auf verschiedene Weisen Hilfestellungen zur Entscheidungsfindung. Ob man sie ganz ernst nimmt oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen. Weder Kartenlegen noch Hellseherei sind göttliche Gaben, sondern können erlernt oder trainiert werden. Dank moderner Technologie kann jeder wahrsagen und selbst die Theoretische Informatik nutzt "Orakel Turingmaschinen", um berechenbarere Daten zu erhalten. Nicht nur in der Esoterik möchte man seine Kenntnisse über zukünftige Geschehnisse optimieren.

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